Titel: Der Schatz im Silbersee
Autor: Karl May
Verlag: dtv
Genre: Abenteuerroman
Seiten: 784
Format: Paperback
ISBN: ISBN 978-3-423-13885-7
Das Buch auf der Verlagshomepage
Zunächst einmal eine kleine Kuriosität am Rande: Angefangen habe ich es am 17. April, ich habe es als Geschenk erhalten und mich sehr darüber gefreut, musste aber erstmal einige andere Bücher lesen, ehe ich damit anfangen konnte. Dann aber kam mir dauernd etwas dazwischen. Erst die Pflichtlektüre „Im Namen der Rose“ für das Fach ‚Mittelalterliche Wirtschaftsethik‘, dann die zwei für meine Bachelorarbeit wichtigen Bücher „Stiller“ und „Das Phantom des Alexander Wolf“, dann wieder ein zeitgebundenes Leserundenbuch… kurz, ich habe die Lektüre vom Silbersee gefühlte 50 mal unterbrochen. Teilweise mitten in der Handlung. Erst Anfang August habe ich es endlich beenden können, also nach einer für meine Verhältnisse unglaublich langen Liegezeit von vier Monaten – wo ich doch sonst 800 Seiten in einer Woche schaffen könnte…
Auf einem Dampfschiff treffen Persönlichkeiten aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können – der verbrecherische Cornel Brinkley und seine Bande, ein Ingenieur mit seiner Tochter, Old Shatterhand höchstpersönlich, die tapferen und ehrenhaften Indianer „Großer Bär“ und „Kleiner Bär“ und die Tante Droll, die eigentlich ein Mann ist. Eine höchst gemischte Gesellschaft, doch insgeheim folgen sie alle einer einzigen Spur – und die führt die Helden dieser Geschichte an die Ufer des Silbersees.
Ein klassischer Abenteuerroman jenseits der Klischees von „Cowboys-und-Indianer“-Schwarzweißmalerei und auch heute noch lesenswert.
Cover:
Das Cover meiner Ausgabe ziert ein Ausschnitt aus dem Ölgemälde „Augusta Natural Bridge“ von Henry Culmer aus dem Jahre 1910. Der verwendete Ausschnitt umfasst einen Großteil der linken Seite des Gemäldes. Leider ist die Auflösung auf dem Cover jedoch nicht die Beste, sodass einige Stellen etwas pixelig wirken. Das Originalbild hängt in Salt Lake City im „Utah Arts Council“, bei dem Bild handelt es sich um Public Domain, das heißt, jeder darf es frei verwenden, ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen.
Der Buchtitel ist zusätzlich mit einer Folie unterlegt und eingeprägt.
Die Grundfarbe für Cover, Klappentext und allgemeine Beschreibung ist ein schönes, dunkles Blau.
Aufgrund der Pixeligkeit des Covers und weil das Buch nach einmaligem Lesen beriets ein wenig zerfleddert aussieht, gibt es von mir Feuerflockenabzug.
Inhalt:
Nicht Körpergewandheit und Treffsicherheit – wobei auch die nicht unwichtig sind – sondern vor allem List und Klugheit entscheiden in diesem Abenteuerroman immer wieder darüber, ob und wie die Helden aus schwierigen Situationen entkommen können. Schon zu Beginn wird es spannend, denn der Bösewicht intrigiert von Anfang an gegen die künftigen Helden des Buches, um seiner gerechten Strafe zu entkommen.
Zahlreiche Helden geben sich im Laufe des Abenteuers die Klinke in die Hand, nicht nur Winnetou, Old Firehand und Old Shatterhand – auch skurille Männer wie „Tante Droll“, der eigentlich deutscher Einwanderer ist und in dem weitaus mehr steckt als man vermuten mag – sorgen für spannende Buchmomente ebenso wie für den einen oder anderen Schmunzler.
Dennoch führt die Handlung recht stringend zu einem Höhepunkt, Nebenhandlungen und Nebenschauplätze tauchen zwar auf, fließen jedoch im Laufe des Romans immer in einen Handlungsstrang zusammen.
Ich habe ja bereits die ungewöhnlich lange Lesedauer angesprochen, aber das Buch ist ungemein neueinsteigfreudig – es ist auf eine Art und Weise geschrieben, dass man jederzeit wieder einsteigen konnte, auch nach drei Wochen. In regelmäßigen Abständen wird die Handlung aus der Sicht anderer Figuren noch mal von hinten aufgerollt, sodass wichtige Ereignisse dem Leser regelmäßig neu in Erinnerung gerufen werden. Auf diese Weise hatte ich bei keinem meiner zahllosen Wiedereinstiege das geringste Problem, mich in die Handlung einzufügen.
Das liegt daran, dass das Buch ursprünglich in Etappen in einer Zeitschrift erschien, sodass dem Leser nach längerer Pause (oder einem verpassten Teil) wieder in die Handlung geholfen werden musste. Solche Ellipsen und Rückblicke nicht langatmig zu gestalten, ist eine Kunst für sich, finde ich.
Außerdem überraschte mich das Buch immer wieder positiv mit den antirassistischen, teilweise sehr modern anmutenden Äußerungen, die Karl May einigen Figuren in den Mund gelegt hat. Er machte auf sehr sensible Weise darauf aufmerksam, dass alle Menschen – egal welcher Hautfarbe und welcher Religion – die gleichen Rechte haben und Respekt verdienen und kritisierte, wie dies zu seiner Zeit gehandhabt wurde. Er machte auf den schwindenden Lebensraum der Indianer und auf den ihnen auferlegten Zwang kritisch aufmerksam, ohne sie dabei zu idealisieren.
Das hätte ich um ehrlich zu sein nicht von einem Buch aus dem späten neunzehnten Jahrhundert erwartet – ich bin es da eher gewöhnt, bei einigen Aussagen ein wenig Bauchweh zu kriegen und mich mit „naja, so dachte man halt damals“ notdürftig zu trösten. Hier war das nicht nötig.
Höchstens die Rolle der Frau war ganz unmodern noch etwas dürftig ausgefüllt, aber damit konnte ich um ehrlich zu sein leben. Die vorkommenden Damen waren keinesfalls hilflose Wesen, die gerettet werden mussten, sondern handelten klug und besonnen. Besonders die Geistesgegenwart der jungen Ellen, die ich bereits weiter oben erwähnt habe, trug zu einer wichtigen Wendung bei.
Ansonsten muss natürlich im Auge behalten werden, dass die damalige Zielgruppe für Abenteuerromane überwiegend Jungs und junge Männer waren.
Es gab einige Passagen, mit denen ich unzufrieden war – ohne dies jedoch konkret benennen zu können. Teilweise schien es mir, als würden sich Handlungselemente wiederholen oder sich immer nach dem gleichen Muster abspielen. Die Handlung selbst empfand ich dagegen durchaus als abwechslungsreich.
Sprache:
Obwohl das Buch schon älter ist und meine Ausgabe nichts modernisiert hat, war das Buch größtenteils leicht lesbar und gut verständlich. Der Schreibstil außerhalb der Dialoge war oft sachlich, teils pädagogisch erklärend, jedoch nie ausufernd kompliziert.
Außerdem hat sich der Autor bemüht, die verschiedenen Gruppen innerhalb des Romans sprachlich voneinander abzugrenzen. Er legte einzelnen Figuren oder Angehörigen bestimmer Sprachgruppen immer wieder kleine Wörtchen in den Mund, die sie sprachlich voneinander abhoben.
Schwierig waren für mich höchstens die Stellen, an denen der Autor unbedingt verschriftlichten sächsischen Dialekt einfügen musste, wie er ihn aus seiner Jugend von vor 150 Jahren kannte. Womit mir mal wieder vor Augen geführt wurde, dass lange Dialoge in Dialekt in Büchern beim Lesen ein No-Go sind. Die Stellen, in denen sich mehrere Sachsen unterhalten und das über Seiten hinweg waren einfach nur anstrengend… Zum Glück kam das nicht so oft vor – aber ich glaube das waren die anstrengendsten drei bis vier Seiten im ganzen Buch und sowas muss eigentlich nicht sein.
Dafür überzeugten mich die sehr lebendigen Landschaftsbeschreibungen immer wieder aufs Neue, ich würde zu gern eine Verfilmung sehen und vergleichen, ob sie mit meiner Fantasie mithalten kann – im Kopf hatte ich beim Lesen die tollsten Landschaften und das kann nicht jeder.
Fazit:
Ein schöner, klassischer Abenteuerroman der alten Schule. Obwohl ich sehr skeptisch gegenüber Karl May war – als Kind und Teenager bevorzugte ich immer Jack London, James Fennymore Cooper und Jules Verne wenn mir nach Abenteuerbüchern war – konnte mich „Der Schatz am Silbersee“ weitestgehend überzeugen.
Dass meine Ausgabe zusätzlich mit sämtlichen Illustrationen der Erstausgabe und einem informativen Nachwort daherkam, wertete das Gesamtpaket zumindest für mich zusätzlich auf – ich gehöre tatsächlich zu den Leuten, die wissenschaftliche Kommentare, Nachwörter etc. ganz gerne lesen.
Eine Flocke Abzug gibt es wegen der in den Einzelkategorien bemängelten Kleinigkeiten, ansonsten empfehle ich das Buch allen, die klassische Abenteuerromane lieben und Nachschub mögen: Karl May hat ungefähr 70 Bücher geschrieben ;-).
Ich habe als Teenie nicht alle 70, aber doch etwa 50 Karl-May-Bücher gelesen, und “Der Schatz im Silbersee” ist für mich eines der besten. Einerseits weil man hier die meisten seiner Wild-West-Helden wieder trifft und es tatsächlich mal eine starke Frauenfigur gibt, andererseits weil mir die indirekte Erzählstruktur lieber ist als der ach so perfekte Ich-Erzähler bei den meisten seiner Reiseerzählungen.
Jules Verne habe ich auch geliebt, mit Jack London konnte (und kann) ich dagegen gar nichts anfangen, mir liegt sein Stil nicht.
LG, Julia
LikeLike
„Der Schatz im Silbersee“ war mein erster Karl May – davor habe ich mich aus im Nachhinein schwer nachvollziehbaren Gründen nie dafür interessiert, die Bücher zu lesen.
Dabei habe ich durchaus besonders als Zehnjährige alle anderen Bücher in dieser Richtung verschlungen, darunter Fennimore-Cooper, Jules Verne, aber auch Jack London (wobei ich einige seiner Bücher nur in russischer Übersetzung gelesen habe, andere im Original).
Im Nachhinein scheint es, als wäre mein Einstieg gut gewält, denn mit Gary-Stue-artigen Ich-Erzählern kann ich tendentiell weniger anfangen, mit diesem Typus bin ich aus der Fanfictionszene ja bestens vertraut ^^.
LG,
Evanesca
LikeLike
„Einstieg“ ist gut – ich habe da noch 35 Karl-May-Bände im Schrank liegen, die nur darauf warten, mal wieder von jemandem gelesen zu werden ;)
LikeGefällt 1 Person
Jaja, Wink mit dem Zaunspfahl kapiert :P
LikeLike
;)
LikeLike