Titel: Valley – Tal der Wächter
Autor: Jonathan Stroud
Verlag: cbj (gehört zu Randomhouse)
Genre: Fantasy
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Seiten: 493
Format: Hardcover
ISBN: 978-3-570-13493-17
Das Buch auf der Verlagshomepage
Das Buch fängt sehr klein und sehr zahm an. Es kommt als regelrecht klischeehaft typische, pädagogisch wertvolle Geschichte für Kinder daher, mit regelrechter Überbetonung des „als Kind muss man artig sein und hören und alte Legenden haben einen erzieherischen Kern, der die Traditionen bewahren soll“.
Und dann bekommt dieser Schein einen so extremen Riss, dass ich nach Luft schnappte und nicht glauben konnte, was ich eben gelesen habe. Und der Riss wird im Laufe des Buches nicht mehr gekittet, bis dann eine der größten Überraschungen in der Literaturgeschichte kommt. Ernsthaft, ich hätte nie mit dem gerechnet, was passiert ist.
Mit anderen Worten: Man muss den ersten 50 Seiten eine Chance geben – auch wenn sie auf den ersten Blick ein wenig moralhudelnd wirken und ich das schon als Kind nicht leiden konnte (das Buch ist bei „Ab 10 Jahren“ in der Bibliothek eingeordnet, cbj empfiehlt ein Lesealter von 12 Jahren).
Das ist ein Stilmittel, das Stroud bewusst und sehr gekonnt einsetzt, denn jedes moderne, freiheitsliebende Kind wird sich hier von Anfang an gegen den Strich gebürstet fühlen – ohne dass Stroud den Bogen so überspannen würde, dass man das Buch vor dem großen Knall in die Ecke pfeffern möchte. Nein. Man liest bis zu der Stelle, an der auf einmal alles anders wird und… schon will man es wirklich nicht mehr weglegen.
Insgesamt somit auch für „Große“ sehr interessantes, toll geschriebenes Buch mit dem typischen Stroud-Humor und einer unterschweilligen ernsten Note, über die ich immer noch nachdenke.
Cover:
Optisch und haptisch ein absoluter Hingucker.
Ein größtenteils kühles, blaues Cover mit viel Himmel, Wolken, einem angedeuteten Gebirge und davor graublau und ein wenig schwefelgelb, vom gleichen Gelb wie die Wolken und Bergspitzen, ein Kapuzenmensch. Drumherum dann nicht nur ein paar goldene Kratzspuren, nein, die funkeln auch tatsächlich, wenn man das Buch gegen das Licht hält und fühlen sich wie Kratzer an, wenn man es anfasst.
Und dazu Hardcover. Auch wenn ich durchaus ein E-Book zu schätzen weiß – ich liebe es, ein Hardcover in der Hand zu halten. Manchmal glaube ich, es könnte sogar etwas völlig Scheußliches drauf sein, aber wenn ich es anfassen kann und es irgendwelche hervorgehobenen/eingebetteten/glänzenden/im Dunkeln leuchtenden etc. Elemente hat, gibt es schon eine oder zwei Bonusflocken.
Und in dieses Buch habe ich mich, was Griffigkeit angeht, regelrecht verliebt.
Inhalt:
Das Tal, in dem die Protagonisten leben, ist völlig abgeschottet – und das aus gutem Grund. Denn draußen, außerhalb der Berggipfel, lauern die Trolde und fressen jene, die zu entkommen versuchen. Und so entkam seit Jahrhunderten niemand mehr dem Tal und seinen Geschichten.
Nicht, seit der Held Sven – Gründer von Haus Sven – und elf weitere Recken, jeweils Gründer großer Häuser, in der großen Schlacht am Troldfelsen das Leben ließen, um dem Tal Sicherheit und Frieden zu schenken.
Hal und Aud, abenteuerlustige Kinder verfeindeter Häuser, wollen dennoch den Weg nach draußen suchen. Und lernen die Wahrheit hinter den Märchen aus alter Zeit kennen.
Stroud lässt seine Romanwelt lose auf nordischer Mythologie basieren – die Namen muten skandinavisch an, das Konzept der Trolde erinnert an die bekannten Trolle aus den Märchen und auch die Welt, in der die Protagonisten und deren Familien leben, mutet wie das mittelalterliche Schweden an. Dennoch handelt es sich beim Tal um einen Mikrokosmos, der seinen eigenen Regeln folgt und seine eigenen Helden verehrt.
Ich kann hier nicht mehr zur Romanwelt sagen, ohne zu spoilern – aber alles ist in sich stimmig und im Nachhinein betrachtet ziemlich philosophisch.
Sprache:
Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich anfangs furchtbar genervt war von der Sprache im Buch. Auch wenn ich deutlich über dem in der Bibliothek empfohlenen Mindestalter von zehn Jahren war – ich hatte das deutliche Gefühl, dass ich auch mit zehn seeehr viel dagegen gehabt hätte, angesprochen zu werden wie eine unartige Fünfjährige, der man zum siebzigsten Mal „Aber du musst artig sein und hören“ sagt. Gerade bei als Kinderbuch ausgewiesener Literatur achte ich seit einem sensibilisierenden Sachartikel sehr auf Augenhöhe und ob irgendwo der Oberlehrerton durchschlägt.
Die ersten fünfzig Seiten, wie oben berichtet, ist das der Fall und das war für mich der Grund, aus dem ich zwar weitergelesen habe – so schnell breche ich kein Buch ab – aber ein komisches Gefühl hatte. Ich fühlte mich sozusagen gegen den Strich gebürstet und das ist etwas, das nicht nur Katzen eher missfällt. Auch Leserinnen mögen das nicht besonders, wenn so ein Zustand über Seiten anhält und das freiheitsliebende, aufmüpfige Wesen in ihnen sich furchtbar gegen diese Belehrungen sträubt. Außerdem – Oberlehrerton hin, Oberlehrerton her, ich wollte wissen, wie es weitergeht.
Dennoch strotzt das Buch vor Jonathan Strouds trockenem Humor – der sich in all den Teilen der Geschichte Bahn bricht, in der nicht die Legende von Sven nacherzählt wird – und macht das Buch von den ersten paar Seiten an ziemlich vergnüglich. Man schaue sich nur die auf der Verlagsseite verlinkte Leseprobe und dort das erste Kapitel nach der Sven-Legende an ;-).
Stark wird die Sprache dann, wenn es daran geht, das sorgfältig aufgebaute Scheingeflecht aufzulösen und einstürzen zu lassen. Hier finden sich Beschreibungen, Metaphern, ausgedachte Worte, schlagkräftige Dialoge… alles, was man sich wünschen kann.
Ich gebe hier dennoch eine Flocke Abzug, weil – wie oben gesagt – der Anfang sich ein wenig oberlehrerhaft ausnahm und mich das wirklich ein wenig daran zweifeln ließ, ob das ein Buch für mich ist.
Fazit:
Sobald man über die Seiten hinweg ist, in denen die Moral „Sei ein braves Kind“ zu sein scheint, wird „The Valley“ zu einem Buch, das sich rasend schnell wegliest und ungeheuer spannend ist.
Die Einschübe mit Svens Legende zeichnen ein zunehmend vielfältigeres Bild und am Ende offenbart sich dem geneigten Leser eine Geschichte, bei der man einfach nur laut „WHAT?“ rufen – und einen leider nicht vorhandenen Nachfolgeband kaufen möchte.
Und wenn man dann noch einmal die ersten Seiten des Buches liest… kommt einem auf einmal auch da die Sprache gar nicht mehr so oberlehrerhaft vor wie anfangs.
Ein Gedanke zu “Jonathan Stroud – Valley – Tal der Wächter”