
Titel: Thorn Gandir – Aufbruch
Autoren: Das Autorenduo J. H. Praßl
Verlag: Acabus Verlag
Genre: High Fantasy
Seiten: 548
Format: Englische Broschur / Klappbroschur
ISBN:9783862822102
Das Buch auf der Verlagshomepage – mit einem Buchtrailer, der Leseprobe und Rezensionen.
Ich habe das Buch sozusagen zwei Mal gelesen. Einmal, als ich es als Rezensionsexemplar erhalten habe – allerdings in einer (was ich noch nicht wissen konnte) für mich sehr turbulenten Zeit, in der ich nicht annähernd so viel zum Lesen gekommen bin, wie ich es mir gewünscht habe. Dann habe ich es überraschenderweise im Urlaub beendet und mir damals schon eine Kurzrezension formuliert. Handschriftlich. Was ich sonst nie tue, aber da ich in den zwei Urlaubswochen noch vier oder fünf weitere Bücher gelesen habe, hielt ich es für eine gute Idee, die Gedanken zu diesem hier festzuhalten, solange sie frisch sind.
Ein wenig merkt man es dem Buch schon an, dass es auf einem P&P-Spiel basiert – so gibt es Schlachten, eine Heldentruppe und Stellen, bei denen ich mir gedacht habe „Ah, da hat man gewürfelt, hier hätte es auch ganz anders ausgehen können“ und das gibt dem Buch einen gewissen Reiz. Ja, es hat Elemente eines klassischen Questromans. Aber es lässt sich unglaublich viel Zeit, zu charakterisieren, die Welt zu zeigen und die Figuren interagieren zu lassen.
Vielleicht achte ich aber auch so stark darauf, weil ich selbst einige Runden gespielt habe und bei mir alle rollenspielig wirkenden Elemente die Erinnerung an eigene, spaßige Runden wachgerufen haben, wer weiß?
Es gibt viele bunte Schauplätze und auch zwischen den Zeilen einiges zu entdecken. Insofern gut, dass ich es zwei Mal gelesen habe.
Durch die hohe Dichte liest es sich besonders zu Beginn noch etwas langsam, weil Konzentration gefordert ist. Jede Kleinigkeit könnte einen doppelten Boden haben oder ein Hinweis für später sein. Gleichzeitig gibt es immer wieder überraschende und spannende Wendungen, an denen es teilweise ziemlich knapp wird … und vor allem muss man regelmäßig alles, was man über die Charaktere zu wissen glaubt, hinterfragen.
Mir hat der Reihenauftakt auf jeden Fall gut gefallen, die Reihe an sich ist für Fans anspruchsvoller High-Fantasy mit viel Zeit und für Menschen, die Bücher gerne mehrmals lesen und dabei neue Dinge entdecken.
Für die Leserunde auf leserunden.de (ein für mich neues Portal, das ich noch in meinen Blogpost zum Thema Leserunden reineditieren möchte) habe ich jeden einzelnen Leseabschnitt noch mal separat gelesen und anschließend alle eintrudelnden Gedanken und Ideen in die Leserundenthreads geschrieben, aber auch ein wenig in der Sprache gekramt und Weiterführendes angemerkt, das mir so überhaupt erst aufgefallen ist. Damit war für mich „Thorn Gandir“ eine sehr intensive Lektüre, das hatte ich bei Leserunden schon länger nicht mehr in DIESEM Maße und fand ich toll .
Cover:
Ich weiß noch, wie es war, als ich das Buch ausgepackt habe und mir ein fast blütenweißes Cover entgegenleuchtete, mit diesem Stern in der Mitte.
Da ich inzwischen auch die zwei anderen Cover der Reihe kenne und ahne, in welche Richtung das Ganze geht… Ja, sehr passend – ein leuchtend weißes Cover für das Buch von Thorn, der sich als absolute Lichtgestalt begreift. Und danach wird es immer dunkler.
Gefällt mir persönlich sehr gut und sticht auch im Bücherregal stark in der Masse hervor! Außerdem ist das Buch dafür, dass ich es zwei Mal gelesen habe und es teilweise aufgeschlagen auf meinen Knien oder dem Tisch liegen ließ, um schnell etwas zu notieren, sehr gut in Schuss. Andere Bücher haben nach einmaligem Lesen mit Samthandschuhen mehr Gebrauchsspuren, als dieses hier. Eine gute Verarbeitung!
Inhalt:
Thorn Gandir verliert nicht nur eine Schlacht – er verliert auch einen Mann, den er für einen Freund gehalten hatte und die Frau, die er liebt. Von diesem Verlust und dem Gefühl des Verrats überwältigt, will er eigentlich nur noch seine Ruhe und sich nicht mehr mit den politischen Intrigen des valianischen Imperiums abgeben müssen.
Doch sowohl seine Rivalin Rosmerta als auch sein Gönner und Förderer Testaceus haben andere Pläne mit ihm – nachdem ein mächtiges magisches Artefakt entführt wurde, muss er es zusammen mit drei Gefährten aus den Fängen des Chaos wieder zurückbringen. Doch Telos Malakin, Bargh Barrowson und Chara haben alle ihre eigenen Pläne, Ziele und Absichten.
Kann die durchwachsene Gruppe es schaffen, einig genug zu sein, um am selben Strang zu ziehen? Und wer ist eigentlich wirklich der Feind in dieser Geschichte?
Amalea ist eine sehr bunte Welt – ich habe mir die Mühe gemacht und so oft wie möglich versucht, die Einflüsse auf die Welt nachzuvollziehen, die Vorbilder der fiktiven Sprachen zu rekonstruieren und andere Dinge herauszufinden, zu interpretieren, nachzuschlagen. Und ich bin mir immer noch sicher, dennoch etwas übersehen zu haben. Das Buch ist unglaublich dicht – es gibt eigentlich an so gut wie jeder Ecke etwas zu entdecken und zu deuten, keine einzige Seite vergeht, ohne dass irgendeine relevante Information im Text versteckt wäre.
Das fordert natürlich auch ziemlich heraus und zwingt zu konzentriertem Lesen, da sonst wichtige Hinweise und faszinierende Kleinigkeiten entgehen – und das wäre schade. Zwei Mal lesen hat sich hier also definitiv gelohnt!
Um die Logik der Gesamtwelt zu beurteilen, habe ich noch zu wenig von Amalea gesehen, bin aber gespannt auf das, was noch kommt. Die Geschichte selbst ist auf alle Fälle spannend und mehrschichtig erzählt.
Sprache:
Die paar Fehlerchen, die ich gemerkt habe, habe ich bei der Leserunde angemerkt. Aber da es auf mehreren hunderten von Seiten insgesamt so 3 waren … fallen die nicht ins Gewicht. Kann passieren.
Die Sprache fand ich in zweierlei Hinsicht faszinierend. Zum Einen die Sprache des Buches an sich. Geschrieben in einer tendentiell eher auktorielleren Art, mit vielen Fokuswechseln zwischen den Figuren, aber auch an den relevanten Stellen nah genug an der Figur, an die gerade „herangezoomt“ wird, hatte ich viel Spaß und … natürlich kann man so sehr bewusst lenken, welche Figur gerade angeschaut und aus welcher gerade hinausgeschaut wird. Das ist auch sprachlich sehr schön umgesetzt.
Für mich mit meinem Hintergrund als Conlangerin und Hobby-Linguistin (direkt Linguistik habe ich ja nicht studiert, nur einzelne Kurse besucht und Bücher durchgearbeitet) war aber auch spannend: Wie die Leute heißen bzw. aus welchen Sprachen sich Namen von Orten, Personen und Gottheiten ableiten, wie unterschiedliche Sprachen im Kontext der Erzählung dargestellt werden, wie Zaubersprüche gestaltet sind. Da hatte ich viel Vergnügen beim Deuten und Knobeln und bin gespannt, ob meine Vermutungen zu einigen Hintergründen der sprachlichen Eigenheiten aus Band 1 zu handfesten Erkenntnissen in Band 2 werden.
Fazit:
Ja, man merkt dem Buch an, dass es ursprünglich ein Rollenspiel war. Aber eins das allen Beteiligten großen Spaß gemacht hat und dieser Spaß kommt auch deutlich im Buch selbst zum Ausdruck. Und da Spaß ansteckend ist, hatte ich den auch beim Lesen.
Wer einen ungewöhnlichen Fantasy-Roman in einem liebevoll ausgearbeiteten Setting lesen will, das mal nicht 0815-Pseudomittelalter heißt und voller ungewöhnlicher Figuren steckt, für den ist dieser Reihenauftakt genau das Richtige.
Bringt euch viel Zeit mit, macht euch notfalls beim Lesen Notizen und findet heraus, wer wirklich hinter den Ereignissen steht.
Disclaimer: Vielen, vielen Dank an J.H. Praßl und den ACABUS-Verlag für das Rezensionsexemplar. Der herzliche Mailwechsel im Vorfeld hat Spaß gemacht und wir lesen uns auf alle Fälle noch öfter über den Weg!