Titel: Unicorns don’t swim
Herausgeberin: Antje Wagner
Verlag: AvivA
Genre: Kurzgeschichten, Anthologie
Altersempfehlung: Ab 13
Seiten: 256
Format: Broschur
Coverdesign by: Britta Jürgs, Stockfoto von „JohanJK“
ISBN:978-3-932338-82-3
Das Buch auf der Verlagshomepage – dort gibt es auch weitere Informationen zum Buch und zu den teilnehmenden Autoren.
Liste der teilnehmenden Autoren: Ingrid Annel, Juliette Bensch, Anja Frisch, Sabine Funder, Laura Henkel, Vera Kissel, Katharina Korbach, Anja Kümmel, Sophie Micheel, Antonie Partheil, Kim Katharina Salmon, Kathrin Schrocke, Claudia Schuster, Corinna Waffender, Antje Wagner und Tania Witte.
Zunächst einmal: Ja, ich musste extra ein neues Schema für diese Rezension erfinden. Zwar habe ich schon mal eine Anthologie auf dem Blog rezensiert, dabei handelte es sich jedoch um die Sammlung eines einzelnen Autors, sodass ich sie in der Hauptbewertung (Sprache, Inhalt etc.) wie einen Roman behandeln konnte.
Das konnte ich bei dieser Rezi nicht wirklich. Ich weiß, einige Leute finden Schemata zum Buchbewerten blöd. Ich brauche sie, um meinen eigenen Qualitätsstandards zu genügen und auch nichts zu vergessen, was irgendwie wichtig ist.
Fakt ist: Es gibt keine einzige Kurzgeschichte in dieser Sammlung, von der ich sagen könnte, sie hätte mir nicht gefallen oder wäre schlecht geschrieben. Jede einzelne Geschichte ist auf ihre Weise gut, auf ihre Weise wertvoll und auf ihre Weise… weise. Ziel der Anthologie ist es ja, all die Konzepte von Mädchen einzufangen, die in den meisten Erzählungen entweder ganz ignoriert werden oder nur am Rande existieren dürfen.
Flüchtlingsmädchen, lesbische Mädchen, transidente Mädchen. Mädchen, deren Hauptlebensziel nicht darin besteht, irgendwann mal „einen süßen Boy“ abzuschleppen und dabei „megahip“ und „supersweet“ auszusehen. Und Mädchen, die gleichzeitig Tomboy und weiblich sein können.
Da ich als Teenie auch so eine schräge Mischung war (hübsch aussehen war mir zwar nicht völlig unwichtig, aber ich trug zu 80% schwarze Klamotten – hübsche Klamotten, wohlgemerkt – und las/schrieb lieber Geschichten, als irgendwelche Jungs zu stalken – und hörte schon damals eher Metal als Charts, zockte stundenlang Tetris und kann mit Liebesgeschichten aller Art bis heute wenig anfangen. Dafür lasse ich seit „Spiderman“ fast keinen Superheldenfilm mehr aus… ), habe ich mich zwischen den Seiten der Anthologie schnell wohlgefühlt.
Und ich denke, viele Menschen werden in dieser Sammlung zahlreiche Identifikationsfiguren finden.
Cover:
Ich mag es recht gern. Ein tätowiertes Skatergirl, sportlich, aktiv, rebellisch – aber mit angemalten Fingernägeln, einer schicken Frisur und Kleidung, die farblich perfekt aufeinander abgepasst ist. Das ist genau die Diskrepanz, die ich schon oben erwähnt habe. Kein Mädchen ist nur Prinzessin, kein Mädchen ist nur Rebellin, Schubladen sind doof. Und genau DAS strahlt das Cover und das Mädchen darauf für mich aus.
Das Weinrot als Kontrastfarbe ist da zusätzlich sehr hübsch gewählt.
Außerdem ist die Qualität des physischen Buches an sich ziemlich hoch. Ich hatte es im Urlaub dabei – Städtetripurlaub wohlgemerkt – und es ist somit ziemlich weit gereist. Aber das Buch geht nach wie vor tadellos auch im Liegen zu und hat keine Leserillen. Heißt: Das hält auch ein zweites, drittes, viertes Mal lesen locker aus, ohne dass ich es mir nachkaufen muss.
Konzept:
Die Idee hinter der Anthologie habe ich oben bereits angesprochen – Mädchen eine Stimme zu geben, die in den meisten Geschichten zumindest im Mainstream nicht ankommen.
Als durchaus gendersensibilisierte Autorin weiß ich zwar, wo ich solche Geschichten im Zweifelsfall suchen muss – bei kleinen Verlagen, bei Selfpublishern, abseits des Mainstreams – aber ich fand es schön, sie als Statementanthologie in den Händen zu halten. AvivA ist ein Verlag, der sich auf besondere Frauengeschichten abseits des Mainstreams spezialisiert hat und nächstes Jahr sein zwanzigstes Jubiläum feiert, in der Hinsicht also durchaus als etablierte Größe gesehen werden kann. Die Bücher liegen im Buchhandel aus und können somit gut gefunden und gekauft werden.
Bis auf eine Geschichte, bei der ich mir noch unsicher bin, würde ich auch sagen, dass jeder einzelne Beitrag das Konzept auf eine andere Weise umsetzt. Mal realistisch, mal fantastisch, mal hochlyrisch und sehr metaphorisch.
In meinen Augen perfekt umgesetzt und einige neue Autorinnen habe ich dadurch überhaupt erst auf den Schirm bekommen.
Zusammenstellung:
Ich fand die Reihenfolge in den meisten Fällen gut bis sehr gut gewählt. Texte mit einem echten Schocker wechseln sich ab mit humorvoller gestalteten Texten. Fantastisches mit Realistischem, Lyrisches mit Sachlichem.
Nur bei einem einzigen Text bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn nicht ausschließlich darum ein bisschen blasser fand, weil der Text davor so intensiv war, dass danach einfach gar kein Text eine Chance gehabt hätte. Denn rein objektiv war eigentlich, wie gesagt, jeder von ihnen gut und in den meisten Teilen fand ich die Reihenfolge auch sinnvoll. Nur bei dem einen, dem in meinen Augen stärksten Text, hätte ich mir gewünscht, dass er ganz am Ende kommt, um den Text nach ihm nicht zu schwächen.
Ich könnte auch keinen Text nennen, der mir direkt nicht gefallen hat, nur einen, mit dessen Botschaft ich noch ein wenig hadere. Aber ich glaube, hadern gehört zu einer solchen Anthologie dazu und ist – vielleicht? vermutlich? – sogar so beabsichtigt.
Die Texte sind völlig unterschiedlich – von einer Geschichte von einem fremden Stern bis hin zur Geschichte über ein kleines Mädchen und ihre Meerschweinchen ist alles dabei. Es wird also nie langweilig.
Fazit:
Ich würde der ganzen Anthologie auf alle Fälle den Stempel „Pädagogisch wertvoll“ aufs Cover drücken. Und zwar nicht nur für Mädchen. Die Geschichten geben den Menschen eine Stimme, die zu oft im Mainstream ausgelassen werden und schaffen somit ein breiteres Bewusstsein für mögliche Identitäten.
Das Buch wird auf alle Fälle eins, das ich noch öfter in die Hand nehmen und lesen werde.
Disclaimer: Danke an den Verlag, die Herausgeberin Antje Wagner und das tolle „Katze mit Buch“-Forum für das Rezensionsexemplar und die Leserunde. Das gemeinsame Lesen, die daraus entstehenden Plauderrunden und die angeregten Diskussionen waren auch dieses Mal wieder unfassbar lehrreich, bereichernd und schön.